DPG Phi
Verhandlungen
Verhandlungen
DPG

Ulm 2004 – wissenschaftliches Programm

Bereiche | Tage | Auswahl | Suche | Downloads | Hilfe

GP: Geschichte der Physik

GP 1: Symposium „Einstein und die Kunst“ I

GP 1.1: Hauptvortrag

Montag, 15. März 2004, 14:00–14:45, H21

Albert Einstein und die künstlerische Avantgarde. — •Ulrich Müller — Berlin

Theo von Doesburg, Mitglied der niederländischen Künstlervereinigung De Stijl und Herausgeber der gleichnamigen Kunstzeitschrift, veröffentlichte im Februar 1922 einen Vortrag mit dem Titel „der Wille zum Stil“. Dort setzte er sich erstmals mit der Relativitätstheorie Einsteins auseinander und wirkte damit überaus anregend auf eine Vielzahl von Künstlern in seiner Umgebung, sei es in Weimar oder Berlin. Sein Interesse an der Theorie Einsteins galt vornehmlich ihren Ergebnissen, etwa der erschlossenen Einheit von Raum und Zeit oder auch der Folgerung vom energetischen Charakter der Materie, wie er in der Formel E = mc2 zum Ausdruck kam. Den Fragen nach den Grundlagen der Theorie, ihrem Aufbau oder ihrer Argumentation dagegen schenkte der Künstler nicht die geringste Beachtung. Man kann davon ausgehen, dass ihm das mathematische und physikalische Rüstzeug zum Verständnis der Theorie fehlte. Und doch sollte sie ihn in ihren Bann ziehen.

Das Interesse van Doesburgs lässt sich nur aus den spezifischen Formen seines Denkens erklären. In der Zusammenführung von Raum und Zeit erblickte er eine grandiose Synthese der zuvor fundamental geschiedenen Sphären, die sich nahtlos in die Struktur antagonistischer Größen, um die sein Denken kreiste, einreihen ließen. Aus der konstatierten Union von Raum und Zeit folgerte er, dass die Bestimmungen der klassizistischen Kunsttheorie, wonach Musik und Literatur nur in der Zeit, die bildenden Künste dagegen nur im Raum existierten, nicht aufrechtzuerhalten sei. Sollte das Kunstwerk mit der erkannten vierdimensionalen Wirklichkeit der theoretischen Physik in Einklang stehen, musste der bildende Künstler nach Wegen suchen, seinem Oeuvre die Zeitdimension zu erschließen. Damit entfernte er sich von Einstein, dessen weitgehend unverstanden Theorie die Künstler gleichwohl herausforderte, den überkommenen Kunstbegriff zu revidieren.

100% | Mobil-Ansicht | English Version | Kontakt/Impressum/Datenschutz
DPG-Physik > DPG-Verhandlungen > 2004 > Ulm