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Regensburg 2007 – wissenschaftliches Programm

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GP: Fachverband Geschichte der Physik

GP 6: Unsichtbare Hände im 20. Jahrhundert

GP 6.3: Vortrag

Dienstag, 27. März 2007, 15:10–15:35, H35

Der „unsichtbare Programmierer“ des Raster-Tunnelmikroskops — •Jochen Hennig — Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, Humboldt-Universität, Unter den Linden 6, 10099 Berlin

Gerd Binnig und Heinrich Rohrer, die im Jahr 1986 den Nobelpreis für Physik für die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops (STM) erhielten, achteten in Ihren Publikationen und Vorträgen immer sehr auf die Nennung des beteiligten Mechanikers Christoph Gerber. Weniger oft und prominent genannt wurden jedoch die Programmierer der Steuerungs- und Bildsoftware wie die IBM-Mitarbeiter Erich Stoll und Hartwig Thomas, die wesentlich dazu beitrugen, dass das STM zu dem digitalen bildgebenden Verfahren wurde, als das es heute gemeinhin aufgefasst wird. Auch andernorts waren vergleichbar Programmierer bei der jeweiligen Einführung des Tunnelmikroskops beteiligt, sei es an Universitäten (z.B. Universität Basel) oder Industrielaboren (z.B. IBM Yorktown Heights).

Es wird zum einen die These vertreten, dass der Einfluss der Programmierer auf die Wissensgenerierung in dem Maße unterschätzt wurde, wie auch der epistemische Status der bildlichen Umsetzung rastertunnelmikroskopischer Messungen unterschätzt wurde. Da die Programmierer aber durch die Erstellung der Bildsoftware die Darstellungsräume tunnelmikroskopischer Messungen bestimmten, nahmen sie direkten Einfluss auf das Aussehen der Bilder und damit das in Form von Bildern verfestigte und kommunizierte Wissen. Werden die Bilder jedoch nicht als Illustrationen unterschätzt, sondern als konstitutiv für rastertunnelmikroskopische Wissensgenerierung angesehen, wertet dies auch den Status der Programmierer – sprich Bildgestalter – auf.

Zum anderen wird auf den Unterschied der „unsichtbaren Programmierer“ zu den der Wissenschaftsforschung sonst bekannten „unsichtbaren Händen“ eingegangen: Einerseits standen bei den Programmierern nicht ihre manuellen Fertigkeiten, sondern mathematisch-programmiererischen Kenntnisse im Vordergrund, andererseits unterschieden sie sich durch ihren Bildungsstand von den Technikern, da sie jeweils auch eine universitäre Ausbildung absolviert hatten. Die Frage der Hierarchien stellt sich hier also auf eine Weise, in der durchaus ähnlich ausgebildete Personen mitunter durch ihre Aufgabenfelder ein unterschiedlicher Status zugesprochen wurde. In dem Vortrag wird die These vertreten, dass die helfenden Programmierer trotz ihrer Unterschätzung und „Unsichtbarkeit“ in der Rastertunnelmikroskopie mit den dort erreichten Kompetenzen und Ergebnissen ihrerseits in eigenen Communities Reputation erlangen konnten.

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